Off Canvas sidebar is empty

Hamburg beschleunigt Baugenehmigungen und erleichtert Bauen im Bestand

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat der Neufassung der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) zugestimmt. Das Bauen in Hamburg wird damit leichter: Baugenehmigungen werden schneller erteilt, für bestimmte Gebäude reicht lediglich eine Bauanzeige. Auch Umbauten im Bestand sind für Bauherrinnen und Bauherren einfacher umzusetzen. Gleichzeitig passt Hamburg viele Regelungen der Musterbauordnung an.

Karen Pein, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen: „Schnelleres Bauen heißt günstigeres Bauen. Mit der Neufassung der Hamburgischen Bauordnung setzen wir viele Anregungen aus den Kammern und der Baubranche um und beschleunigen die Baugenehmigungsverfahren, damit wieder schneller gebaut wird. Das gilt für den Wohnungsbau genauso wie für gewerbliche Vorhaben. Konkret erleichtern wir das Bauen im Bestand, indem einzelne Vorschriften bei Aufstockungen und Umnutzungen zukünftig nicht mehr beachtet werden müssen. Gleichzeitig beschleunigen wir die Genehmigungsverfahren und stellen kleinere Wohngebäude genehmigungsfrei. Wärmepumpen, Ladestationen für E-Autos sowie Balkonkraftwerke sind in Zukunft sogar gänzlich genehmigungsfrei. Das spart den Menschen Zeit und Kosten.“

Ab wann gilt die neue Bauordnung?

Nach dem Senatsbeschluss befasst sich nun die Bürgerschaft mit der Neufassung der Hamburgischen Bauordnung. Nach deren Beschluss passt die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen die Sonderbauverordnungen an und nimmt Folgeänderungen in zahlreichen Fachrechtsgesetzen vor. Die Software zum Bearbeiten von Bauanträgen wird entsprechend programmiert, damit das Gesetz Anfang 2026 in Kraft treten kann.

Wichtige Änderungen im Überblick:

Erleichterung des Bauens im Bestand, insbesondere für die Umnutzung zu Wohnungen

Bei Bestandsbauten gilt für Bauherrinnen und Bauherren zurzeit (noch), dass sowohl bei Nutzungsänderungen als auch bei wesentlichen baulichen Änderungen jeweils das aktuell geltende Recht zu beachten ist. Der Bestandsschutz gilt insoweit nicht. Dies führt häufig dazu, dass Bestandsgebäude bei einem Umbau aufwändig und kostenintensiv ertüchtigt werden müssen. Für Eigentümerinnen und Eigentümer ist es daher manchmal einfacher, das Bestandsgebäude abzureißen und auf dem Grundstück einen Neubau zu errichten, anstatt den Bestand ressourcenschonend zu erhalten.

Dies wird mit der neuen Bauordnung geändert: Werden z. B. Büroräume oder andere Aufenthaltsräume in Wohnraum umgewandelt, müssen Wände und Decken des Bestandsgebäudes nicht mehr so ertüchtigt werden, dass sie dem Neubaustandard gleichen. Der Bestandsschutz wird ausgeweitet.

Abweichen von Bauvorschriften wird leichter möglich

Erfordert ein Bauvorhaben eine Abweichung von den baurechtlichen Vorschriften, soll die genehmigende Behörde diese zukünftig leichter erteilen können, insbesondere wenn es der Weiternutzung von bestehenden Gebäuden oder der Schaffung von neuem Wohnraum dient. Im Rahmen der Entscheidung werden dabei aber auch weiterhin Nachbarrechte und Schutzziele berücksichtigt.

Kostenreduziertes und experimentelles Bauen

Gebäude, mit denen neue Bau- und Wohnformen erprobt werden, dürfen auch dann genehmigt werden, wenn sie nicht alle Bauvorschriften einhalten. So können innovative, kostengünstigere Bauweisen gefördert werden. Die genehmigende Behörde prüft, ob die übergeordneten Schutzziele beachtet werden und kann dann eine Genehmigung erteilen, wenn niemand gefährdet wird.

Mobilität neu gedacht

Die bisherige Pflicht zur Herstellung von Kfz-Stellplätzen wird mit der geänderten Bauordnung durch einen modernen Mobilitätsnachweis abgelöst. Zukünftig wird jedes Grundstück im Hinblick auf den Mobilitätsbedarf seiner Nutzer individuell betrachtet. Dabei werden die Lage und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr genauso berücksichtigt wie die örtlichen Verkehrsverhältnisse und der Bedarf der jeweiligen Nutzer. So hat z. B. eine Schule in der Nähe eines Bahnhofs andere Mobilitätsbedarfe als das Krankenhaus am Stadtrand und wiederum andere als ein innerstädtischer Gewerbebetrieb mit viel Lieferverkehr.

Die bisherigen finanzielle Ausgleichszahlungen für rechtlich notwendige, aber nicht zu realisierenden Kfz-Stellplätze entfallen zukünftig.

Wärmepumpen und E-Ladestationen

Ab 2026 dürfen Wärmepumpen und Ladepunkte für Elektrofahrzeuge regulär und ohne Baugenehmigung aufgestellt werden.

Barrierefreiheit

Die neue Bauordnung sorgt für mehr barrierefreie Wohnungen: Ist in Neubauten aufgrund der Höhe ein Aufzug erforderlich, wird zukünftig jede dritte Wohnung barrierefrei hergestellt. Auch der Balkon wird in diesen Wohnungen barrierefrei nutzbar sein.

Genehmigungsfreistellung und schnelle Baugenehmigungen

Mit der Neufassung der Hamburgischen Bauordnung werden die Genehmigungsverfahren neu geordnet:

Die Genehmigungsfreistellung wird eingeführt: Einfamilienhäuser, Doppelhäuser, Reihenhäuser und sogar kleinere Mehrfamilienhäuser, die im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegen und die das Baurecht vollständig einhalten, müssen nur noch „angezeigt“ werden. Einen Monat nach Einreichung der Bauvorlagen darf bereits mit dem Bau begonnen werden. Eine Baugenehmigung ist nicht mehr erforderlich.

Liegt das Grundstück im Bereich eines alten Baustufenplans oder im Bereich einer städtebaulichen Erhaltungsverordnung, werden Wohngebäude weiterhin im vereinfachten Genehmigungsverfahren genehmigt. Das gleiche gilt für große Mehrfamilienhäuser. Hier bleibt die bewährte Genehmigungsfrist von zwei Monaten bestehen.

Für große Gewerbegebäude und Sonderbauten wie zum Beispiel Hochhäuser oder größere Restaurants wird die bisherige Pflicht zur Anwendung des so genannten Genehmigungsverfahrens mit Konzentrationswirkung aufgehoben. Damit folgt Hamburg der Musterbauordnung der Länder, die keine Verfahrenskonzentration kennt. Bauherrinnen und Bauherren von gewerblichen Vorhaben, die Wert auf ein schnelles und schlankes Baugenehmigungsverfahren legen, haben zukünftig die Möglichkeit, ihren Bauantrag im „Baugenehmigungsverfahren nach § 64 HBauO“, dem neuen Regelverfahren, einzureichen. Die Bauaufsicht prüft nur das Planungsrecht und das Bauordnungsrecht, daneben wenige Fachrechtsbelange wie Baumschutz oder Altlastgefährdung. Eine Baugenehmigung wird innerhalb von drei Monaten erteilt. Sind weitere Genehmigungen erforderlich (z. B. Wasserrecht, Denkmalschutzrecht etc.) holt die Antragstellerin oder der Antragsteller diese direkt bei der jeweils zuständigen Fachdienststelle ein. Die Planerinnen und Planer können in diesem neuen Verfahren selbst bestimmen, in welcher Reihenfolge und zu welchem Zeitpunkt die einzelnen Genehmigungen beantragt werden.

Jeder Bauherrin und jedem Bauherrn steht es weiterhin frei, optional das bekannte Baugenehmigungsverfahren mit Konzentrationswirkung zu wählen. Dieses in Hamburg im Jahr 2006 eingeführte Verfahren gewährleistet Bauherrinnen und Bauherren einen besonderen Service: Ihnen wird eine Verfahrensmanagerin oder ein Verfahrensmanager der Bauaufsicht zur Verfügung gestellt, der ständiger Ansprechpartner ist und den gesamten Genehmigungsprozess steuert: Dieser koordiniert das Zusammenwirken sämtlicher betroffenen Fachdienststellen und bündelt die einzelnen Fachgenehmigungen in einer konzentrierten Baugenehmigung – der „Baugenehmigung aus einer Hand“.

Verfahrensfreiheit wird erweitert

Sogenannte Balkonkraftwerke, Solaranlagen an Fassaden kleinerer Gebäude und auch Ladestationen für Elektromobilität sind genehmigungsfrei und damit Beispiele für Maßnahmen, die Eigentümerinnen und Eigentümer eigenverantwortlich umsetzen können. Dabei ist das geltende Baurecht dennoch zu beachten.

Hintergrund: Bauordnungsrecht und die Musterbauordnung

Zum öffentlichen Baurecht zählen zwei große Rechtsbereiche: das Bauplanungsrecht und das Bauordnungsrecht. Während das Bauplanungsrecht festlegt, ob eine bestimmte Nutzung von Grund und Boden zulässig ist, regelt das Bauordnungsrecht die zur Gefahrenabwehr notwendigen Anforderungen an das einzelne Bauwerk und bezieht dabei seine engere Nachbarschaft ein. Das Bauordnungsrecht enthält alle öffentlich-rechtlichen Anforderungen, die beim Errichten, Nutzen, Ändern und Abbrechen einzelner baulicher Anlagen beachtet werden müssen. So soll einer möglichen Gefährdung von Menschen und Sachgütern sowie der natürlichen Lebensgrundlagen vorgebeugt werden, unzumutbare Belästigungen vermieden und den sozialen und baupflegerischen Belangen genügt werden.

Im Gegensatz zum Bauplanungsrecht, welches der Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfällt, stellt das Bauordnungsrecht einen der wichtigsten Rechtsbereiche dar, der in der Regelungskompetenz der Länder liegt. Die Regelungen des Bauordnungsrechts bestimmen wesentlich die konkrete Gestaltung baulicher Anlagen und damit das Stadt- und Ortsbild. Insofern betrifft das Bauordnungsrecht alle Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt. Weiterhin hat das Bauordnungsrecht eine hohe Bedeutung für alle Bauherrinnen und Bauherren von Neubau- oder Modernisierungsvorhaben und für die am Baugeschehen Beteiligten, wie Architekten, Bauingenieurinnen, Bauleiter und Bauunternehmerinnen, aber auch für die mit der Herstellung von Bauprodukten befasste Industrie. Es ist schließlich für alldiejenigen von Interesse, die Grundstücke und bauliche Anlagen nutzen oder verwalten, insbesondere für die Grundeigentümer selbst.

Die Musterbauordnung der Länder (MBO) wird in den Gremien der Bauministerkonferenz (BMK) und unter Beteiligung des Bundes erarbeitet. Die Gesetzgebungskompetenz jedoch steht in Bezug auf das Bauordnungsrecht den Bundesländern zu. Um die bauordnungsrechtlichen Regelungen wie zum Beispiel Brandschutzanforderungen innerhalb von Deutschland zu vereinheitlichen, orientieren sich die Bundesländer bei der Weiterentwicklung der einzelnen Landesbauordnungen an der Musterbauordnung. Die Planung von Bauvorhaben wird einfacher und schneller je mehr sich die Regelungen der Bundesländer gleichen. Der Neuerlass der Hamburgischen Bauordnung ist ein maßgeblicher Beitrag, um das Bauordnungsrecht in der Bundesrepublik zu harmonisieren.

Quelle: Hamburg beschleunigt Baugenehmigungen und erleichtert Bauen im Bestand